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Neue Gefahrstoffverordnung: Was Handwerksbetriebe jetzt wissen müssen

Unfälle mit Gefahrstoffen sind kein Randthema: Wer als Handwerker tagtäglich mit Gefahrstoffen arbeitet, ist mittendrin im Risiko. Damit Handwerksbetriebe ihre Mitarbeiter wirksam schützen können, müssen sie die aktuellen Schutzmaßnahmen kennen und konsequent umsetzen. Genau deshalb ist die neue Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Ende 2024 in Kraft getreten.

In diesem Blogartikel erfahren Sie, was sich geändert hat, welche Pflichten Sie jetzt haben, welche Übergangsfristen gelten – und wie Betriebe mit der GefStoffV 2024 umgehen.

 

1. Was ist an der Gefahrstoffverordnung 2024 neu?

Die neue Gefahrstoffverordnung setzt auf erweiterte Regeln, mehr Transparenz und Dokumentation. Für Ihren Betrieb heißt das konkret:

  • Risikobezogenes Maßnahmenkonzept („Ampel-Modell“): Arbeiten Sie mit krebserzeugenden Gefahrstoffen, greift jetzt das bekannte Ampel-System aus der TRGS 910 (Technische Regel für Gefahrstoffe): Grün steht für niedriges Risiko, Gelb für mittleres und Rot für hohes Risiko. Je höher die Belastung, desto umfassender müssen Sie Ihre Schutzmaßnahmen gestalten.
  • Psychische Belastungen: Der Umgang mit gefährlichen Stoffen kann auch psychisch belastend sein. Als Arbeitgeber sollten Sie diese Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen und passende Schutzmaßnahmen einplanen.
  • Erweiterte Gefährdungsbeurteilungen: Dokumentieren Sie detailliert, welche Gefahrstoffe Sie verwenden und wie hoch die Belastung ist.
  • Anpassung an die EU-Krebsrichtlinie und neue Asbestregelungen: Besonders beim Bauen im Bestand gelten strengere Vorgaben, die den Umgang mit Asbest klarer regeln und den Schutz der Beschäftigten stärken.
  • Lockerungen bei Aufbewahrung und Lagerung: Giftschränke oder abgeschlossene Räume brauchen Sie nur noch für akut toxische Stoffe (Kategorien 1–3). Achten Sie aber darauf, dass nur fachkundige und geschulte Personen Zugriff haben.

Was sind Gefahrstoffe?

Gefahrstoffe sind Stoffe, Gemische oder Produkte mit gesundheitsschädlichen oder sicherheitsrelevanten Eigenschaften – etwa wenn sie leicht entzündlich, akut giftig, ätzend oder sogar krebserzeugend sind. Eine Übersicht zu einzelnen Gefahrstoffen finden Sie in der GESTIS-Stoffdatenbank des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

 

2. Warum gibt es eine neue Gefahrstoffverordnung?

Die alte Verordnung konnte mit den heutigen Anforderungen nicht mehr mithalten. Neue Baustoffe, moderne Chemikalien und aktuelle Erkenntnisse zum Gesundheitsschutz machten eine Überarbeitung notwendig. Die Überarbeitung verfolgt daher ein klares Ziel: Sie schützt besser, sie beugt Erkrankungen vor, sie macht Pflichten transparenter und sie setzt die geänderte EU-Krebsrichtlinie mit ihren strengeren Vorgaben um.

 

3. Was sind die wichtigsten Pflichten als Handwerksbetrieb?

Diese Punkte müssen Sie ab sofort umsetzen:

  • Gefährdungsbeurteilung erstellen: Bewerten Sie jedes Projekt mit Gefahrstoffen schriftlich.
  • Schutzmaßnahmen umsetzen: Sorgen Sie für Belüftung, Absaugung und die richtige Schutzausrüstung.
  • Unterweisungen durchführen: Weisen Sie Mitarbeitende und Aushilfen ein, bevor diese mit Gefahrstoffen arbeiten.
  • Dokumentation sichern: Halten Sie Unterweisungen, Lagerung und alle Schutzmaßnahmen nachvollziehbar fest.

 

Welche Gefahrstoffe betreffen Handwerksbetriebe besonders?

Gefahrstoffe begegnen Ihnen im Handwerk fast täglich – oft ohne dass es auf den ersten Blick auffällt. Viele Produkte, die Sie regelmäßig einsetzen, enthalten Bestandteile, die gesundheitsschädlich oder sogar krebserzeugend sind. Typische Beispiele:

  • Farben und Lacke: Lösemittel in Beschichtungen reizen Atemwege, können Kopfschmerzen auslösen und stehen teils im Verdacht, krebserzeugend zu sein.
  • Holzstaub: Entsteht beim Bohren, Sägen oder Schleifen von Holz, Beton oder Metall. Holzstäube gelten als krebserzeugend, Quarzstaub schädigt langfristig die Lunge.
  • Säuren und Laugen: Sie können zu Verätzungen an Haut, Augen und Atemwegen führen.

Lesetipp: Sie wollen mehr darüber erfahren, wie Sie sich vor Holzstaub schützen? Tipps im Umgang mit diesem Gefahrstoff finden Sie in unserem Blogartikel.

 

4. Was bleibt bei der neuen Gefahrstoffverordnung gleich?

Nicht alles ist bei der GefStoffV 2024 neu – viele bewährte Regeln gelten weiterhin und bilden nach wie vor die Grundlage im Umgang mit Gefahrstoffen:

  • STOP-Prinzip: Prüfen Sie zuerst, ob Sie einen Gefahrstoff ersetzen können (Substitution). Falls nicht, setzen Sie technische Maßnahmen um (Absaugung, Belüftung). Danach folgen organisatorische Maßnahmen (Arbeitsanweisungen, Zeitbegrenzungen). Erst wenn das nicht reicht, greifen persönliche Schutzmaßnahmen (Handschuhe, Atemschutz).
  • Kennzeichnung nach GHS/CLP: Gefahrstoffe müssen weiterhin nach dem international einheitlichen Globally Harmonised System (GHS) gekennzeichnet werden. Dazu gehören die bekannten Gefahrensymbole (z. B. Flamme, Totenkopf, Ausrufezeichen) sowie Sicherheits- und Gefahrenhinweise, die auf Verpackungen und in Sicherheitsdatenblättern stehen.
  • Schutzkleidung, Schulungen und Lagerungsvorschriften: Diese Pflichten bleiben bestehen. Allerdings müssen Sie Ihre Nachweise noch strenger dokumentieren.

 

5. Wie kommt das Gesetz (bislang) in der Praxis an?

Viele Unternehmen haben bereits begonnen, die neuen Vorgaben umzusetzen und nutzen digitale Lösungen, um die Dokumentation zu vereinfachen. Andere stehen noch in der Vorbereitung und arbeiten daran, ihre Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen auf den aktuellen Stand zu bringen. Gleichzeitig gibt es auch Betriebe, die bislang wenig unternommen haben. Die ersten Rückmeldungen aus Handwerksbetrieben sind gemischt:

  • Positiv: Digitale Dokumentation spart Zeit. Mit Apps oder Vorlagen setzen Sie die Pflichten schnell und unkompliziert um.
  • Kritisch: Kleine Betriebe empfinden die jährlichen Unterweisungen als zusätzliche Last. Besonders viel Ärger gibt es um die neuen Asbestregelungen im Bestand. Denn statt der Bauherrn sind jetzt die ausführenden Betriebe für die Asbesterkundung verantwortlich. Das bedeutet für Sie: mehr Kosten, mehr Risiko und schwierigere Kalkulationen.

Praxistipp für Handwerker

Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) erklärt die wichtigsten Neuerungen (außer Asbest) in einem anschaulichen Video. Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) bietet Seminare rund um das Gefahrstoffrecht. Gemeinsam mit weiteren Partnern stellt sie außerdem den GDA-Gefahrstoff-Check bereit – mit dem Sie vor allem als kleiner oder mittlerer Betrieb ihren Umgang mit Gefahrstoffen prüfen und optimieren können.

 

Welche Fristen gelten bei der neuen Gefahrstoffverordnung?

Nicht alles gilt sofort – manche Regeln haben Übergangsfristen:

  1. Inkrafttreten: Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) gilt seit dem 5. Dezember 2024.
  2. Asbest: Für Nachweise zur Sach- und Fachkunde haben Sie Zeit bis 5. Dezember 2027.
  3. Rodentizide: Nutzen Sie Biozide mit blutgerinnungshemmender Wirkung, brauchen Sie den Sachkundenachweis spätestens bis 28. Juli 2027.

Weitere Details gibt’s bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Praxis‐Hinweise für Handwerker

  • Prüfen Sie, ob Ihr Betrieb von den Übergangsfristen betroffen ist.
  • Nutzen Sie die Übergangsfristen aktiv – etwa zur Schulung Ihrer Mitarbeitenden oder zur Beschaffung der Nachweise.
  • Ab Dezember 2027 wird bei Asbest¬arbeiten nicht mehr zwischen „alt“ und „neu“ unterschieden. Ohne Nachweis dürfen Sie keine Asbestarbeiten mehr ausführen.

 

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen die Gefahrstoffverordnung?

Die neue Gefahrstoffverordnung ist kein „nice to have“, sondern rechtsverbindlich. Verstöße können für Handwerksbetriebe teuer und riskant werden. Verstöße können zu Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro führen. Gravierende Verstöße können sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

 

Fazit: Schieben Sie die neue Gefahrstoffverordnung nicht auf die lange Bank

Die neue Gefahrstoffverordnung ist kein Stück Bürokratie fürs Regal, sondern schützt Gesundheit, Leben und Umwelt. Neu hinzugekommen sind unter anderem das Ampel-Modell für krebserzeugende Gefahrstoffe, strengere Asbestvorgaben beim Bauen im Bestand, neue Regeln zu psychischen Belastungen sowie verschärfte Nachweispflichten. Ignorieren Sie als Handwerksbetrieb die Regeln, riskieren Sie ernste Unfälle im Betrieb und Bußgelder. Auch wenn es zum Beispiel für Asbest- und Rodentizid-Nachweise Übergangsfristen gibt, sollten Sie die Neuerungen nicht auf die lange Bank schieben.
Für Handwerksbetriebe bedeutet das: Nutzen Sie die Zeit! Prüfen Sie alles gründlich, erstellen Sie Gefährdungsbeurteilungen, setzen Sie Schutzmaßnahmen um, unterweisen Sie Ihr Team regelmäßig und dokumentieren Sie alle Schritte sauber. Wer jetzt handelt, vermeidet Bußgelder, reduziert Gesundheitsrisiken und sorgt dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig gesund bleiben.

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